Thesenpapier zum antifaschistischen Engagement an Hochschulen

02.11.2006: Sich gegen Rechtsextremismus zu engangieren ist auch an der Hochschule bitter nötig. Wie dieses Problem anpacken? Antworten vom Arbeitskreis Antifaschismus des fzs

Das folgende Thesenpapier soll keinerlei Handlungsanleitung für eine antifaschistische Betätigung an Hochschulen darstellen. Der fzs als Dachverband will Euch lediglich Vorschläge und nützliche Tipps für ein solches Engagement geben. Dieses Thesenpapier basiert dabei auf Erfahrungen verschiedener Gruppen, die sich auf dem Feld des Antifaschismus engagieren.

Formen

Für die Antifa-Arbeit an der Hochschule bieten sich unter Anderem folgende Formen an:

  • Angestelltenverhältnis im AStA
  • Referat im AStA
  • Arbeitskreis innerhalb der Studierendenvertretung
  • Initiative mit Hochschulbezug
  • Tagesgeschäft der Studierendenvertretung
  • Fachschaftsbezogene Tätigkeiten
  • Hochschulgruppe

Für eine kontinuierliche Arbeit ist es unerlässlich auf eine feste Struktur zurückgreifen zu können, so dass eine der ersten vier Formen zu favorisieren ist – je nach dem, was sich konkret an Eurer Hochschule vor Ort realisieren lässt.

Themenfelder

Folgende Themenfelder sollte eine antifaschistische Arbeit an der Hochschule abdecken:

  1. Die Extreme Rechte in der Studierendenschaft
  2. Studentische Verbindungen
  3. Rechte Hochschulgruppen
  4. Alt- und Neonazis in der DozentInnenschaft
  5. Wissenschaftskritik aus antifaschistischer Perspektive
  6. Antirassismus
  7. Lokale Vernetzung
  8. Überregionale Vernetzung
  9. „Mikrokosmos Hochschule“

1. Die Extreme Rechte in der Studierendenschaft

Zu beobachten ist, dass Neonazis als Studierende an so gut wie jeder Hochschule zu finden sind. Weiterhin ist zu bemerken, dass es innerhalb der rechtsextremen Szene eine zunehmende „Intellektualisierung“ stattfindet – das Klischee des Bomberjacken-tragenden, dumpfen Nazischlägers taugt allenfalls zur Verharmlosung realer Verhältnisse.

Die erste Fragestellung, die allein durch mühsame Recherche (ggf. in Rückkopplung mit Antifa-Gruppen im Ort) beantwortet werden kann, ist demnach: „Sind einschlägig bekannte Neonazis an meiner Hochschule eingeschrieben?“

Wenn dies der Fall ist und diese Personen dann auch noch politische Aktivitäten

  • im Rahmen ihres Studiums (z. B. in Referaten oder Wortbeiträgen in Seminaren),
  • im Rahmen der Organe studentischer bzw. akademischer Selbstverwaltung
  • oder direkt politische Arbeit auf dem Campus leisten,

ist ein Eingriff von antifaschistischer Seite aus notwendig, um Neonazis an der Hochschule handlungsunfähig zu machen und ihre potentiellen Opfer präventiv zu schützen.

Für politische Aussagen innerhalb von Lehrveranstaltungen ist die Dozentin bzw. der Dozent verantwortlich und demnach die erste Ansprechpartnerin bzw. der erste Ansprechpartner. Natürlich ist hier der Weg zur jeweiligen Fachschaft auch nicht der schlechteste… Politische Aktivitäten an der Hochschule sind zu unterbinden – mit den Konzepten des Antifaschismus, die auch außerhalb der Hochschule angewandt werden. Hier heißt es immer: Ask your local Antifa!

2. Studentische Verbindungen

In diesem Arbeitsfeld ist es eine Notwendigkeit die gängige allgemeine Verbindungskritik, die z.B. vom Arbeitskreis Antifaschismus formuliert wird, auf die konkreten Verbindungen vor Ort herunterzubrechen und zu konkretisieren. Jede direkte Konfrontation mit Verbindern zeigt schnell, dass sie argumentativ gegen die Standard-Thesen der Verbindungskritik gewappnet sind. Deshalb gilt es, möglichst genau zu recherchieren und exakt zu argumentieren.

Ziel einer Anti-Korporierten-Arbeit vor Ort muss sein, studentische Verbindungen aus der Hochschule herauszudrängen. Verbinder sind kein selbstverständliches Erscheinungsbild an einer Hochschule sondern generell abzulehnen – dies gilt es, allen Beteiligten klarzumachen.

Aktivitäten und Veranstaltungen von Verbindungen können mit den klassischen Aktionsformen des Antifaschismus „kritisch begleitet“ bzw. verhindert werden. Politisch-inhaltlich empfiehlt es sich in der ErstsemestlerInnen-Arbeit anzusetzen, um neue Studierende im Vornherein aufzuklären. Ebenso zu empfehlen ist die Zusammenarbeit mit den Gleichstellungsbeauftragten.

Mögliche Handlungsoptionen auf Hochschulebene sind zum Beispiel Verbinder-Seiten auf dem Server der Hochschule zu kündigen, Weblinks zu Verbindern auf der Homepage der Hochschule zu entfernen usw.

Interessant sind natürlich Schnittstellen zur lokalen Neonazi-Szene… Bei extrem rechten Verbindungen sind diese nicht selten und für eine konkrete Verbindungskritik äußerst wichtig.

3. Rechte Hochschulgruppen

Unter politisch rechtslastigen Hochschulgruppen sind hierbei zahlreiche Listen von Studentenverbindungen und Listen mit Verbinderbeteiligung zu fassen. Natürlich ist bei Verbinderbeteiligung allgemeine und konkrete Verbindungskritik gefragt und diese auf die entsprechende Hochschulgruppe umzumünzen.

Sollte es beispielsweise zu eindeutigen politischen Anträgen von rechtslastigen HoPo-Aktiven kommen, sollten diese (hochschul-) öffentlich skandalisiert werden, um die Studierenden und die Hochschulleitung von solchen Umtrieben in Kenntnis zu setzen.

In Wahlkämpfen gilt es „rechte“ Listen argumentativ zu bekämpfen, was wieder eine gründliche Recherche und exakte Argumentation zu Grunde legt. In einer eventuellen Opposition zu einer rechten Koalition in Studierendenparlamenten und ASten muss eine antifaschistische Kritik an der Arbeit von regierenden rechten Hochschulgruppen und einzelnen Aktiven kontinuierlich stattfinden. Es gilt hierbei keine doppelten Standards anzuwenden, so z.B. ist dringend davon abzuraten, einen rechtslastigen AStA wegen allgemeinpolitischer Betätigung zu verklagen – das geht nur nach hinten los!

4. Alt- und Neonazis in der DozentInnenschaft

Falls solche Leute aufgedeckt werden, sollte das Ziel eindeutig sein: Die Entlassung aus dem Wissenschaftsbetrieb. In solchen Fällen ist es wichtiger denn je, juristisch haltbare Argumentationen aufzustellen – schließlich entzieht man den Betreffenden in der Regel ihre materielle Existenzgrundlage, so dass diese im Falle des Falles gegen unhaltbare Vorwürfe juristische vorgehen würden.

Der erste Schritt ist hier auch eine grundlegende Recherche zur Person, die Vorwürfe müssen stichhaltig untermauert werden – am Besten mit ZeugInnen und Dokumenten. Der nächste Schritt ist dann der Gang zur Hochschulleitung, respektive die In-Kenntnis-Setzung der Präsidentin bzw. des Präsidenten.

Sollte dies nicht den gewünschten Effekt erzielen, sollte der Vorgang veröffentlicht werden. Hierzu sind Kampagnen in der Presse und der Studierendenschaft unerlässlich.

In jedem Falle empfiehlt sich die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes, um juristische Folgen abzuwenden.

5. Wissenschaftskritik aus antifaschistischer Perspektive

Dieses Arbeitsfeld meint in erster Linie die Kritik an rassistischen, antisemitischen, völkisch-nationalen usw. Lehrinhalten. Mehr kann und soll eine antifaschistische Kritik in erster Linie nicht leisten. Im Kontext der Historisierung des Nationalsozialismus treten vermehrt Holocaustrelativierungen auf, im Kontext des Nahost-Konfliktes trifft man nicht selten auf antisemitische Ideologeme.

Wenn solche und andere politisch untragbaren Inhalte in Lehrveranstaltungen geäußert werden und eine Intervention innerhalb der Lehrveranstaltung fehlschlägt, gilt es sich zunächst mit der Fachschaft und der Studierendenvertretung zu beraten. Dann folgt erst der Gang zur Dekanin bzw. zum Dekan und zur Hochschulleitung, um sich dort Gehör zu verschaffen.

Meist wird man zu einem wissenschaftlichen Duell aufgefordert, eine Hochschule ohne Denkverbote und die Meinungsfreiheit angeführt. Zu den letzten beiden Punkten bleibt zu sagen, dass rassistische und antisemitische Vorstellungen in den Lehrinhalten einer Hochschule nichts zu suchen haben – also kein kritischer Dialog, sondern Ende der Veranstaltung!

Trotzdem ist eine Gegenargumentation wissenschaftlich zu führen und die inhaltliche Auseinandersetzung nicht zu scheuen. Gerade dies sollte hier die Aufgabe aufklärender Arbeit sein.

6. Antirassismus

Eine antifaschistische Arbeit innerhalb dieses Themenfeldes sollte zunächst mögliche Problemfelder von ausländischen Studierenden eruieren. Hierfür sind Kontakte zu den Betreffenden selbst als auch zu DAAD, Akademischem Auslandsamt etc. unerlässlich. Der Grundsatz ist hier immer die Förderung einer eigenständigen Vertretung ausländischer Studierender beispielsweise in einem autonomen AStA-Referat. Es sieht einfach dumm aus, wenn weiße Deutsche Vertretungsaufgaben übernehmen…

Auf dem Plan sollten trotzdem zwei Schwerpunkte stehen: Zum einen ist dies der behördliche, staatlich organisierte Rassismus, zum anderen rassistische Gewalt auf der Straße. Diese Phänomene müssen einer antifaschistischen Kritik unterzogen werden. Hierzu gehört auch die Stigmatisierung von muslimischen Studierenden, die nicht erst seit neuestem unter kollektivem Terrorverdacht stehen.

Bei rassistischen Übergriffen ist sensibel vorzugehen und fast jede politische Äußerung mit dem Opfer abzusprechen. Nichts passiert gegen Willen des Opfers – das ist hier der oberste Grundsatz. Zu empfehlen ist immer die Vermittlung an eine professionelle Opferberatungsstelle und eine Rechtsanwaltskanzlei. Geschultes Personal kann da erheblich mehr leisten als eine linke Gruppe.

7. Lokale Vernetzung

Auf lokaler Ebene sind zwei Arten der Vernetzung besonders wichtig:

  1. die Vernetzung mit AkteurInnen innerhalb der Kommunalverwaltung
  2. die Vernetzung mit antifaschistischen Gruppen vor Ort

Auf kommunalpolitischer Ebene meint dies vor Allem die Zusammenarbeit zu rechtsextremen Aufmärschen. Hier empfiehlt es sich geradezu, dass Studierendenschaften zentrale Funktionen in zivilgesellschaftlichen Protesten übernehmen. Dies hat meist eine dauerhafte Einbindung in zivilgesellschaftliche Strukturen der Kommune zur Folge, auf denen ein intensiver Austausch von Informationen usw. stattfinden kann. Dies führt nebenbei zu einer Aufwertung der Studierendenschaft in den Kommunen.

Antifaschistische Gruppen, die es vor Ort gibt, sind im Themenbereich die kompetentesten AnsprechpartnerInnen. Hier gilt es ein Vertrauensverhältnis zu schaffen und einen regen beidseitigen Informationsaustausch zu betreiben. Bitte vergesst nicht, dass Studierendenschaften oftmals die einzige Geldquelle für solche Gruppen in der Region sind – nehmt die GeldgeberInnen-Funktion großzügig wahr!

8. Überregionale Vernetzung

Hier bietet sich der Arbeitskreis Antifaschismus im fzs und Eure Landesvertretung an. Wir als Arbeitskreis sind über Recherche-Ergebnisse und Mitteilungen aus den lokalen Zusammenhängen immer hoch erfreut. Die Treffen des Arbeitskreises dienen nicht zuletzt zum bundesweiten Informationsaustausch.

Besondere akute Ereignisse bedürfen oft der Hilfe von überregionalen Zusammenhängen. Diese liefert der Arbeitskreis sehr gern – eine schnelle Information ist hierzu allerdings dringend notwendig.

Der Arbeitskreis steht generell allen Antifa-Aktiven an den Hochschulen offen, nach einer fzs-Mitgliedschaft Eurer Hochschule wird Euch niemand fragen. Wir sind weder hierarchisch strukturiert, noch werden wir irgendwie gewählt…

Kontakt zum Arbeitskreis Antifaschismus des fzs erhaltet Ihr per eMail an den AK Antifa. So könnt Ihr Euch auch in die Mailingliste eintragen und über bundesweite Aktionen, Neuigkeiten aus den einzelnen Hochschulen und die Arbeit des fzs auf diesem Gebiet auf dem Laufenden bleiben.

9. „Mikrokosmos Hochschule“

Die Hochschule ist keine schöne Insel in einer schlechten Gesellschaft! Deshalb gilt es mit der „Außenwelt“ zu interagieren. Tragt Eure Themen aus der Hochschule und hochschulexterne Themen in die Studierendenschaft.

Studierende sind Akteure akademischer Kritik und leisten so einen gewissen Beitrag zu einem fortschrittlichen Denken – auch eine antifaschistische Kritik sollte wissenschaftlich fundiert begründet sein. Auf der anderen Seite sollten sich Studierende und studentische Antifa-Initiativen auch aus ihrem Umfeld herausbewegen – mobilisiert an Eurer Hochschule zu antifaschistischen Veranstaltungen!