21.05.2005: Ein Erklärungsversuch zum Begriff Rassismus. Ein Text des AStA der Universität Potsdam
Rassismus als gesellschaftliches Verhältnis
Wie wir uns als Individuen und Gruppen wahrnehmen, wer dabei definiert, was als „deutsch“ und „normal“ gilt, welche Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen wir zugestanden bekommen oder eben nicht – all dies hängt von unseren Positionen innerhalb einer rassistisch hierarchisierten Gesellschaft ab. Rassismus als gesellschaftliches Verhältnis heißt, dass jeder Mensch sich innerhalb dieses Verhältnisses bewegt und diesem auch mit besten antirassistischen Absichten nicht entkommt. Niemand steht außerhalb oder ist unbeteiligt.
Kurzformel für Rassismus
Rassismus = Ethnisierte Gruppenbildung + Abwertung + Durchsetzungsmacht
Ethnisierte Gruppenkonstruktion
Es gibt keine unterschiedlichen menschlichen „Rassen“. Aber die Vorstellung, es gäbe solche, wirkt fort. Anhand von bestehenden und / oder eingebildeten Unterschieden werden Gruppen als „ethnisch“, „kulturell“ oder gar „biologisch / genetisch“ „anders“ wahrgenommen. Im Gegensatz dazu entsteht ein „Wir“, das in Abgrenzung von „den Anderen“ als „normal“ und selbstverständlich gilt. Für diese ethnisierten Gruppenkonstruktionen werden nationale Zugehörigkeit, Herkunft oder „Kultur“, Religion oder Hautfarbe herangezogen. Unterschiede innerhalb einer Gruppe sowie Gemeinsamkeiten zwischen den Gruppen werden übersehen. (Haben eine schwarze und eine weiße Frau ähnliche Augen oder Gesten, so fällt dies bestenfalls auf den zweiten Blick auf – während die Hautfarbe sofort registriert wird.)
Zuschreibungen, Vorurteile, Wertungen:
Die „den Anderen“ zugeschriebenen Eigenschaften sind meistens negativ, können aber auch positiv sein – in jedem Fall treffen sie die gesamte Gruppe (Ausnahmen bestätigen nur die Regel). Das Verhalten einzelner Menschen wird mit ihrer „Rasse“, Herkunft, Religion, „ethnischen Zugehörigkeit“ oder „Kultur“ erklärt. So werden Gruppenmerkmale zu unveränderlichen Eigenschaften, hinter denen der / die Einzelne nicht mehr wahrgenommen wird, so dass es überflüssig wird, andere Erkärungsansätze für Verhalten und Verhältnisse zu finden.
Gesellschaftliche Macht:
Wenn eine gesellschaftliche Gruppe die soziale, ökonomische oder politische Macht hat, die oben genannten (Ab-)- Wertungen gegenüber einer anderen Gruppe durchzusetzen und damit eine gesellschaftliche Ungleichbehandlung zu erzeugen, sprechen wir von Rassismus. Rassistische Diskriminierung findet sowohl im Bereich der individuellen Nicht-Anerkennung und Benachteiligung statt als auch auf der Ebene des nationalstaatlich-rechtlichen Ausschlusses und der ökonomischen Ausbeutung.
UNO-Definition von Rassismus
International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination. Adopted and opened for signature and ratification by General Assembly resolution 2106 (XX) of 21 December 1965 entry into force 4 January 1969, in accordance with Article 19.
Part I Article I (1): In dieser Übereinkunft umfasst der Begriff ‚Rassendiskriminierung‘ jede Unterscheidung, jeden Ausschluss, jede Einschränkung oder Bevorzugung auf Grund von Rasse, Farbe, Abstammung, nationaler oder ethnischer Herkunft mit dem Ziel oder der Folge, die Anerkennung, den Genuss oder die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf gleicher Grundlage im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem anderen Bereich des öffentlichen Lebens aufzuheben oder zu behindern.
(Zu beachten ist, dass damit nicht Aussagen über Rassen als Diskriminierung erfasst sind, sondern nur Maßnahmen mit der konkreten praktischen Folge, dass Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht gleichberechtigt ausgeübt werden können.)
Formen von Rassismus
- rassistische Vorurteile: Vorgefertigte Meinungen über Personen aufgrund ihrer Zuordnung zu einer „Rasse“. Beispiel: Person A denkt, dass Person B die Eigenschaft X hat, weil sie zur „Rasse“ Y gehört.
- rassistische Diskriminierung: Die unterschiedliche Behandlung von Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale, wie z.B. der Hautfarbe. Beispiel: Person A weigert sich, Person B einzustellen, weil Person B zur „Rasse“ Y gehört.
- institutioneller Rassismus (strukturelle Diskriminierung): Ungleichbehandlung durch öffentliche Stellen und große Organisationen aufgrund der „Rassenzugehörigkeit“.
- pseudowissenschaftliche Rassentheorien: Im Interesse politischer Kräfte entwickelte scheinwissenschaftliche Theorien, die die Überlegenheit bestimmter Rassen über andere untermauern sollen, z.B. die Hamitentheorie des Afrikanisten Carl Meinhof oder die Rassenlehre des Nationalsozialismus.
- kultureller Rassismus: Der moderne Rassismus bedient sich oftmals des Begriffs verschiedener „Kulturen“, nachdem der klassische Rassismus als unwissenschaftlich entlarvt wurde. Beispiele: „Die Polen stehlen“, „Die Araber sind frauenfeindlich“, „Afrikaner sind besonders aggressiv“. Der französische Philosoph Étienne Balibar nennt dieses Phänomen „Rassismus ohne Rassen“.
- Alltagsrassismus: Ist die Übernahme von Rassismus in alltägliche Situationen durch Denk- und Handlungsformen, die die dahinter liegenden Machtstrukturen stabilisieren und verfestigen. In dieser Form wird Rassismus nicht mehr hinterfragt, sondern von herrschenden Gruppen als „normal“ hingenommen.