Bamberg 2011

Das festival-Programm aus Bamberg von 2011

Programmübersicht (6.-13.6.)

Veranstaltende: Antifaschismus/Antirassismus-Referat und Referat für Gleichstellung der Studierendenvertretung, in Kooperation mit dem Asta Bamberg e.V. und der Petra-Kelly-Stiftung

Motto: „Emanzipation“

Montag, 06.06.2011
MANFRED DAHLMANN: Zur Kritik des Begriffs der Emanzipation

Der Vortrag wird versuchen, den Begriff der Emanzipation zu beleuchten, um sich dann kritisch mit diesem auseinander zu setzen. Die inflationäre Verwendung des Begriffs und die damit einhergehenden realpolitischen Forderungen werden diskutiert.

Manfred Dahlmann ist mit der ISF Freiburg assoziiert und gibt im ca-ira Verlag Bücher heraus. Er veröffentlicht regelmäßig in der Jungle World.

Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Mittwoch, 08.06.2011
FLORIS BISKAMP: Homonationalismus? 

Die Aushandlung der sexuellen Identität zwischen Emanzipation und Ausgrenzung Ihr Buch „Terrorist Assemblages“ hat die Queer Theory maßgeblich beeinflusst: Jasbir Puar, US-amerikanische Professorin für Gender Studies, vertritt darin die These, dass Homosexuelle in Zeiten des „War on Terror“ als Feindbilder ausgedient haben. Die Rolle des Perversen und Unproduktiven werde heute mit den Jihadist_innen verbunden.
Die Professorin für „Women’s und Gender Studies“ an der Rutgers University in New Jersey hat den Begriff des „Homonationalismus“ geprägt, in dem sie westliche LGBTQI-Organisationen, die Homophobie unter Muslimen kritisieren, des Rassismus bezichtigt. Dieser Vorwurf ist einer genaueren Betrachtung wert, weil er symptomatisch für aktuelle Tendenzen innerhalb der akademischen Linken ist.

Floris Biskamp hat in Gießen und Boston Physik und Politikwissenschaft studiert und arbeitet aktuell an einem Promotionsprojekt zu Kritischer Theorie, Postcolonial Studies und Debatten um antimuslimische Ressentiments in Deutschland. Zuletzt erschien von ihm die Monografie „Die Dramaturgie demokratischer Imperien: Über das Verhältnis von Imperialität und Demokratie in der Debatte um das American Empire“.

Beginn: 20:00
Eintritt: frei 

Dienstag, 07.06.2011
KRÜPPELBEWEGUNG ERLANGEN: Emanzipation und Behinderung

Das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. in Erlangen ist ein Kind der emanzipatorischen Krüppelbewegung der 1980er Jahre, die mit Demos, Hungerstreiks und Ankettaktionen Öffentlichkeit errang. Als die Bewegung im Jahr 1982 ihren Zenit überschritten hatte, differenzierte sie sich aus. Einige engagierten sich parteipolitisch, Andere begannen alternative Strukturen aufzubauen, um ein Leben jenseits von den als segregierend empfundenen Heimen und Werkstätten möglich zu machen. In diesem Zusammenhang entstanden auch die Zentren für Selbstbestimmtes Leben. Hier beraten behinderte Menschen Andere in allen Bereichen des Lebens. Peer counseloring heißt dieses Konzept. Sylke Stricker, selbst Rollstuhlfahrer_in, ist in Erlangen als peer counselorin tätig. Ihr Vortrag beinhaltet einen Einblick in die Geschichte der Behindertenbewegung aus eigener Erfahrung. Außerdem geht sie auf folgende Fragen ein:
Was ist das Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. Erlangen(ZSL) und was machen wir?
Warum meine Behinderung hier von Vorteil ist und warum (mir) meine Arbeit so wichtig ist?
Selbstbestimmt Leben mit Behinderung: Wie geht das und was ermöglicht es mir?

Sylke Stricker, 50 Jahre, wohnhaft in Erlangen, geb. in Leipzig, seit 1976 Rollstuhlfahrerin, Studium: Magister-Pädagogik an der FAU-Erlangen, seit 1998 als Beraterin (Peer-Councelorin) in der Beratungsstelle des Zentrum für Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V. Erlangen (ZSL), Arbeitsbereiche: Beratung für behinderte Menschen und Angehörige u.a.; Gesprächskreis zum Thema Selbstbestimmt Leben mit Assistenz , Öffentlichkeitsarbeit mit Schwerpunkt Barrierefreiheit, Mobilität, Bewusstseinsbildung; Vereinsarbeit (ZSL-Info, Vereinsveranstaltungen).

Die Veranstaltung findet im Raum U11/016 statt.

Beginn: 20:00
Eintritt: frei

Donnerstag, 09.06.
Ort: Morph Club !!!

ROGER BEHRENS: Der Sound der falschen Freiheit
Pop und Emanzipation

Es gehört zur Dialektik der Kultur, dass sie gleichermaßen emanzipatorisch und repressiv ist: Sie verspricht die Freiheit von Herrschaft, die sie doch zugleich fördert und festigt, ja festigen muss, um sie zu ermöglichen. Aus diesem Widerspruch entfaltete sich einmal ihr Ideal, ebenso wie das „Unbehagen in der Kultur“. Mit der Popkultur, die sich in den 1950er Jahren etablierte, und deren historisches Ende sich nunmehr abzeichnet, verschärfte sich diese Dialektik, so dass der Widerspruch auseinander gerissen und zugleich verhüllt scheint: Pop ist einerseits Ideologie, bloß schöner Schein, billige Verhübschung der Welt; proklamiert allerdings andererseits genau die Revolte dagegen, die widerständige Subversion und emanzipatorische Dissidenz als Prinzip. – Historisch reicht das bis zu den Anfängen des Pop selbst zurück, formiert sich in Subkulturen vor allem zwischen den 1960ern und 1980ern. Mit den 1990ern kulminiert das „Subversionsmodell Pop“, wird zugleich allgemein und kollabiert schließlich in völliger Banalität. Die „Tragödie der Popkultur“ ist dabei Ausdruck einer fundamentalen Krise der kapitalistischen Gesellschaft. Und zu diskutieren ist insofern, ob das emanzipatorische Potenzial, das der Kultur überhaupt und speziell dem Pop einmal zugesprochen wurde, eine tatsächlich die Gesellschaft transformierende Kraft bedeutete (oder bedeuten könnte), oder schließlich nur ein weiteres Moment der Verdinglichung, der Verfestigung der Verhältnisse darstellt. Der Vortrag versucht dies historisch und systematisch zu rekonstruieren.

Roger Behrens, freier Autor, lebt in Hamburg; Redakteur der Zeitschrift für kritische Theorie und Mitherausgeber der testcard. Zahlreiche Publikationen zur kritischen Theorie der Gesellschaft, Ästhetik und gegenwärtigen Kultur und hat in der Freien Uni zuletzt über den Begriff „Kulturindustrie“ gesprochen.

Im Anschluss: Konzert mit DADAJUGEND POLYFORM (Audiolith Records) Computerbastelei in Garage und Wohnzimmer – so entstehen Weltkonzerne. Oder die Dadajugend Polyform. Was einst als Soundtüftelei im verschlafenen fränkischen Kulmbach begann, ist seit 2008 zu einer „richtigen“ Band herangereift. Die Kleinstadtidylle wurde hinter sich gelassen, lediglich die Texte zeugen noch von einer „Vergangenheit“, die sowieso am besten in Songs aufgearbeitet werden kann. Dadajugend Polyform lebt inzwischen über ganz Deutschland verstreut und beschreitet soundtechnisch neue Pfade mit Schwenk zu 1980er-Wavepop.

Im Anschluss: die Dj_anes Fry van Houten, Max Moosica und polarbärta

Beginn: 20:00
Eintritt: 5 €

Freitag, 10.06.
CHRISTINE ZUNKE: Soziobiologie
Die Wissenschaft der Naturalisierung

Jede Naturalisierung der Gesellschaft setzt eine Blindheit gegenüber der wesentlichen Differenz zwischen Naturprozessen und Gesellschaftsprozessen voraus. Nur dann, wenn angenommen wird, dass Menschen nicht aus Freiheit handeln, sondern sich bloß nach Regeln der Natur verhalten können, können gesellschaftliche Phänomene als durch naturwissenschaftliche Methoden erforschbar gelten. Die Biologie als Wissenschaft vom Lebendigen hat seit ihren Anfängen als Soziobiologie versucht, den Menschen und sein Sozialverhalten mit denjenigen Methoden zu beschreiben, mit denen sie auch die Verhaltensweisen von Tieren erfolgreich untersucht. Die hierbei unterlaufenden Fehler und Gegenstandsverwechselungen verdanken sich zum einen gesellschaftlichen Verhältnissen, deren ökonomische Zurichtung naturhaft erscheint, und zum anderen einer grundsätzlichen Schwierigkeit, das Lebendige begrifflich zu fassen und seine zweckmäßige Form gegen bewusst gesetzte Zwecke des Menschen abzugrenzen.

Christine Zunke lehrt Philosophie an der Universität Oldenburg und hat mit ihrer 2008 im Akademie-Verlag erschienenen „Kritik der Hirnforschung“ eine der ersten grundlegenden Kritiken der Neurophilosophie vorgelegt. 

Samstag, 11.06.
EMANZIPATORISCHE FILMNACHT

Idioten (1998, Lars von Trier, Dänemark)

Die schüchterne Karen trifft auf eine Gruppe junger Leute, die ein besonderes Experiment wagen. In der Öffentlichkeit geben sie sich lautstark und aggressiv als Behinderte aus. Als Anführer Stoffer darauf drängt, das Verhalten auf private und berufliche Beziehungen auszuweiten, kommt es zum Bruch. Nur eine Person gibt nicht auf … Lars von Triers Film will provozieren und tut dies zunächst auf eine scheinbar recht einfältige Art, indem er das vermeintliche Glück der „Armen im Geiste“ gegen eine übersättigte Gutbürgerlichkeit stellt. Doch dann kippt das Bild. Auch die Freizeit-Irren sind Zwängen unterworfen.

Jericho´s Echo (2005, Liz Nord, USA)

Iros, Stage diving, fists flying. selbstgemachte Band-T-shirts, circle pits, singalongs. Diese Szenen sind nicht unbekannt. Sie haben Popkultur in den letzten 30 Jahren entscheidend mitgeprägt. Aber das Ethos des Punkrock bekommt ein anderes Gewicht, wenn sich Bandmitglieder nicht entscheiden müssen, ob sie zur Gitarre oder zur Waffe greifen…
Jericho’s Echo stellt einige Charaktere der weithin unbekannten israelischen Punkszene vor und wirft mittels Interviews, verite‘ scenes und mit Konzertmitschnitten einen Blick in deren Lebensrealität. Diese jungen Menschen repräsentieren die Zukunft dieser Region und ihre Sicht der Dinge finden im gängigen medialen Diskurs recht wenig statt.

Beginn: 20:00
Eintritt: frei 

Sonntag, 12.06.
ABSCHLUSSSYMPOSIUM

Anhand zweier Impulsreferate erfolgt eine abschließende Reflexion und Diskussion der Festival-Woche. Für das zweite Referat sind Referent_innen aus dem poststrukturalistischen Spektrum angefragt, stehen aber zum jetzigen zeitpunkt noch nicht fest.

STEVE KASTNER/THOMAS LÖRNER: Grenzen und Unmöglichkeit der Emanzipation?

Ob die gegenwärtige Gesellschaft noch eine patriachale ist, darf ebenso bezweifelt wie die Frage gestellt werden, ob nicht unter dem blinden Zwang alle schon gleicher sind, als sie es jemals albträumten. Emanzipation, verstanden als Befreiung des Menschen aus strukturellen Zwängen, die ihn systematisch (be-)schädigen und am freien Leben hindern, ist in der bürgerlichen Gesellschaft unmöglich, gerade auch dann, wenn dekonstruiert statt verstanden wird. Nach der Emanzipationsleistung des Bürgertums, mit dem es sich selber auf Grundlage gleicher Freiheit für alle schuf, ist Emanzipation heute die Überwindung der Schranken, die der Realisierung der Befreiung der Warenhüter_innen zu Menschen durchs gesellschaftliche System gesetzt sind. Der Vortrag will ausgehend von der Einrichtung des Denkens, den alles umfassenden Kategorien, zeigen, wie die Gesellschaft sich entwickelt hat und eingerichtet ist, welche Folgen das für das Leben – das Selbsterhaltung nur sein darf – hat. Nach der Beschreibung der Gesellschaft sollen Praktiken, die zur Überwindung gesellschaftlicher Schranken dienen sollen, beleuchtet und kritisiert werden. Feminismus hat nach der Bedeutung des Geschlechts gefragt und es in der Hoffnung auf Überwindung seiner falschen Bedeutung betont, Queersein eifert oft nur der gesellschaftlichen Realität der Gleichmachung nach.

Steve Kastner und Thomas Lörner äußern sich hier und dazu mal.
Beginn: $$$
Eintritt: frei