Aufruf zum 15. festival contra le racisme 2018

Rassismus ist Alltag – überall. Er widerfährt Menschen in sehr vielen Situationen, ob auf der Straße, zu Hause oder im Seminar. An der Hochschule wird ebenso Rassismus (re-)produziert wird, wie an allen anderen Orten. 

Rassismus wird zum einen in sehr individuellen Situationen erlebt. Eine Art Alltagsrassismus, der jeden Tag mal offensichtlich, mal versteckter präsent ist. Neben offensichtlichen Ausfällen prägen auch vermeintliche Kleinigkeiten, die zunächst belanglos und schon gar nicht diskriminierend wirken mögen, den Alltag Betroffener. Aussagen, die mit „das war doch nicht rassistisch, sondern nur eine Frage“ verteidigt werden. Warum beispielsweise eine Frage nach der „wirklichen“ Herkunft kein reines unschuldiges Interesse, sondern ein Auswuchs unserer rassistischen Sozialisation ist, bleibt für Viele leider verborgen. Werden diese Situationen thematisiert, wird den Betroffenen meist emotionale Argumentation vorgeworfenen, statt die Kritik als Anlass für (Selbst-)Reflexion anzunehmen. Dies kann leider sowohl von Mitstudent*innen als auch von Dozent*innen ausgehen. In letzterem Fall geht das zusätzlich mit einem Machtgefälle und Abhängigkeiten einher. Dabei sollte gerade an Hochschulen Kritik- und Selbstreflexionsfähigkeit gelehrt werden. Dies sollte Alltag sein – nicht Rassismus und Diskriminierung. 

Zum anderen wohnt dem Wissenschaftssystem ein struktureller Rassismus inne. Warum sind z.B. so wenige Texte von Menschen, die von Rassismus betroffen sind, fester Bestandteil der Vorlesungsapparate? Wann (und wann nicht) wird die Frage gestellt, aus welcher Position Wissenschaft betrieben wird? 

All das soll häufig aber keine Erscheinung von Rassismus sein. Denn aufklärte Wissenschaft könne ja gar nicht rassistisch sein. Dass dies oft nicht der Fall ist, zeigt sich vor allem an der Nicht-Thematisierung von Rassismus. Hochschulen thematisieren selten stattfindenden Rassismus, stattdessen behaupten viele von oben verordnet, sie seien weltoffen. In  meterdicken Internationalisierungsstrategien setzen sich Universitäten und Hochschulen kaum mit Rassismus auseinander, sie verstecken sich stattdessen hinter holen Phrasen. Einerseits ist das Bestreben gut, dass Hochschulen mehr internationale Lehrende, Forschende und Student*innen aufnehmen wollen, andererseits ist es angesichts einer Vielzahl von Hürden – teils von den Hochschulen selbst zu verantworten – beim Hochschulzugang, gerade für internationale Student*innen heuchlerisch von „WeltOFFENheit“ zu sprechen. Vielmehr tragen diese Strategien und Label dazu bei Rassismus zu dethematisieren. Nach dem Motto: „An unserer Hochschule gibt es keinen Rassismus, wir sind weltoffen. Das steht so in unserem Leitbild“. Für konsequenten Antirassismus an Hochschulen wäre es viel mehr dringend nötig diese Strukturen zu hinterfragen sowie Selbstreflexion und Empowerment von Hochschulmitgliedern zu stärken. 

Struktureller Rassismus zeigt sich häufig erst beim Blick auf das Ganze deutlich und wird trotzdem wieder individuell erfahren. Rassismus an Hochschulen wird also verschleiert und ist manchmal erst bei genauerer Betrachtung für nicht Betroffene erkennbar. In letzter Zeit aber spitzen sich auch die offenen Erscheinungsformen von Rassismus an Hochschulen zu und werden für alle deutlich sichtbar. Das Beispiel des Leipziger Jura Professors Rauscher ist das neuste, welches dank Engagements aufmerksamer Studierender hohe mediale Aufmerksamkeit erfahren hat. Ein solcher Vorfall ist aber bei Weitem nicht einzigartig. Die Debatten haben sich zugespitzt, es hat – nicht zuletzt durch die gezielte Provokationen AfD und co. – eine Diskursverschiebung stattgefunden. Das geht so weit, dass jetzt der blanke Hass Platz in Hörsälen findet und unter dem Deckmantel der Meinungs- & Wissenschaftsfreiheit geduldet wird. Der Diskurs hat sich soweit verschoben, dass es politisch durchsetzbar war, Menschen abhängig von ihrer Staatsangehörigkeit Studiengebühren zahlen zu lassen. Menschen werden damit vom Zugang zur Hochschule abgehalten und das Ganze wird mit rassistischen Zuschreibungen legitimiert. 

Dabei ist Hochschule nicht nur ein Ort an dem Wissen (re-)produziert wird – und damit auch die innewohnenden Vorurteile im allgemeinen sowie Rassismen im speziellen. Hochschule hat als Teil des Bildungswesens eine besondere Aufgabe ihren Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse zu reflektieren. Für eine gerechte, demokratische Gesellschaft muss Schluss sein mit Rassismus – in Hochschulen und außerhalb. Wir alle sind gefordert den strukturellen und alltäglichen Rassismen entgegenzutreten. Dazu soll das diesjährige festival contre le racisme, organisiert von vielen Studierendenschaften und engagierten Studierenden, beitragen.